Antimikrobielle Oberflächen durch Einsatz natürlicher Wirkstoffe

Unerwünschte Biofilme

Bakterien und Pilze leben bevorzugt in Biofilmen. Diese bestehen aus miteinander agierenden Mikroorganismen, umgeben von einer selbst produzierten Schleimschicht zum Schutz vor äußeren Angriffen. An natürlichen und technischen Grenzflächen in feuchter oder wässriger Umgebung sind sie allgegenwärtig. Biofilme mit pathogenen Organismen oder am falschen Ort können eine Gefahr für die Gesundheit darstellen, Materialschäden verursachen oder den Energieaufwand im Anlagenbetrieb stark erhöhen.

Daher werden in vielen Bereichen Biozide eingesetzt. Ihre Zulassung und Anwendung ist durch eine Reihe von Gesetzen, Verordnungen und europäische Regularien geregelt. Mit zunehmenden gesetzlichen Beschränkungen für ihren Einsatz steigt der Bedarf an biozidfreien, antimikrobiell wirksamen Ausrüstungen für technische Oberflächen. Zur Entwicklung geeigneter Systeme arbeiten am Fraunhofer IGB abteilungsübergreifend Materialwissenschaftler, Mikro-, Molekular- und Zellbiologen zusammen.

Mit Biofilm zugesetzter Wasserfilter.
© Fraunhofer IGB
Mit Biofilm zugesetzter Wasserfilter.

Schichtsysteme für antimikrobielle Verbindungen

Zur Vermeidung der Biofilmbildung untersuchen wir die Wirkung natürlich vorkommender antimikrobiell aktiver Verbindungen wie Pflanzenextrakte, kationische Peptide und Enzyme. Da es für eine technische Nutzung notwendig ist, Wirkstoffe in einer geeigneten Darreichungsform zu applizieren, entwickeln wir Schichtsysteme zur längerfristigen und gezielten Freisetzung und, besonders im Fall von Biomolekülen, zur längerfristigen Erhaltung ihrer Funktion. Die Applikationsart der Wirkstoffe hängt dabei vom Einsatzbereich, der Art und Geometrie der Oberfläche und dem zu immobilisierenden Wirkstoff ab.

Ausrüstung einer Materialoberfläche mit Hydrogel und anitmikrobiellem Wirkstoff.
© Fraunhofer IGB
Ausrüstung einer Materialoberfläche mit Hydrogel und anitmikrobiellem Wirkstoff.

Immobilisierung in polymerer Matrix

Eine Möglichkeit zur Immobilisierung aktiver Biomoleküle ist die Einbettung in eine polymere Matrix als Beschichtung eines Bauteils. Aus dieser wird der Wirkstoff über einen bestimmten Zeitraum freigesetzt.

Wir realisierten aktive Schichten mit Lysozym, DNAse und LL-37. Lysozyme sind Enzyme des angeborenen Immunsystems und beschädigen die Bakterienzellwand. Das humane antimikrobielle Peptid LL-37 wird auch vom Immunsystem gebildet und zerstört die Zellwände zahlreicher Gram-positiver und Gram-negativer Bakterien. Zudem ist es sehr proteolysestabil. Das Enzym DNAse spaltet DNA. Da Biofilme zu einem großen Anteil aus der freigesetzten DNA abgestorbener Mikroorganismen bestehen, können DNAsen den Biofilm reduzieren.

Die polymere Matrix wurde aus kurzkettigen Poly(ethylenglykol)-Diacrylaten durch UV-Bestrahlung aufgebaut. Dazu wurde der Wirkstoff mit Additiven in die wässrige Polymerlösung gegeben, auf die gewünschte Oberfläche gebracht und für 3 Sekunden bestrahlt. Durch die Bestrahlung vernetzen die Polymerketten und der Wirkstoff wird so im Hydrogel eingebettet. Wir wiesen nach, dass die angewandte Bestrahlungsdauer zur Netzwerkbildung ausreicht und das Biomolekül nicht wesentlich in seiner Sekundärstruktur oder Aktivität verändert wird.

Freisetzungsverhalten eines Wirkstoffes aus einem Hydrogel.
© Fraunhofer IGB
Freisetzungsverhalten eines Wirkstoffes aus einem Hydrogel.
Reduzierung des Biofilms durch wirkstoffbeladenes Hydrogel.
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Reduzierung des Biofilms durch wirkstoffbeladenes Hydrogel.

Steuerung der Freisetzung und antimikrobielle Wirkung

Das Freisetzungsverhalten wurde bei Raumtemperatur in einer phosphatgepufferten Salzlösung untersucht, welche regelmäßig gewechselt wurde. Die Abbildung links zeigt die freigesetzte Menge Lysozym über 100 Tage in Abhängigkeit unterschiedlicher Netzwerkdichten. Der größte Teil wird in den ersten Tagen freigesetzt, aber auch nach 100 Tagen wurde noch eine Abgabe gemessen. Zu diesem Zeitpunkt waren 50 Prozent des gesamten eingebrachten Lysozyms freigesetzt. Die Freisetzung selbst kann über die präparierte Netzwerkdichte eingestellt werden.

Die beschriebenen Systeme wurden mit E. coli, P. aeruginosa und P. pseudoalcaligenes auf ihre antimikrobielle, bakteriostatische Wirkung untersucht. Ihre Wirkung wurde auf planktonische und Biofilmzellen überprüft. Die Abbildung links zeigt die statistisch signifikante Reduzierung der metabolischen Aktivität der untersuchten Mikroorganismen im Vergleich zum Referenz-Biofilm durch die präparierten Systeme. Für Hydrogele mit Lysozym und LL-37 wurde auch eine statistisch signifikante Reduzierung der planktonischen Zellzahl erreicht.

Ausblick

Wir konnten zeigen, dass natürliche antimikrobielle Wirkstoffe unter Funktionserhalt in Depotschichten eingebettet werden können und ihre Freisetzung über die Gestaltung dieser Schicht steuerbar ist. Auf die untersuchten Mikroorganismen wirkten die präparierten Systeme antimikrobiell. Antimikrobielle Naturstoffe besitzen meist ein enges Wirkspektrum, daher müssen für eine technische Anwendung gegebenenfalls Wirkstoffkombinationen für die vorhandenen, zu vermeidenden Mikroorganismen eingesetzt werden. Die Depotschicht ist dabei jeweils auf die freizusetzenden Wirkstoffe abzustimmen.

Literatur

[1] Weber, C.; Burger-Kentischer, A.; Müller, M.; Trick, I.; Hirth, T. (2011) Biofilmvermeidung durch natürliche Wirkstoffe – gezielte und langfristige Freisetzung durch ein PEG-basiertes Depotsystem, Biomaterialien 12: 2